Dokumentation Tagung 2015
Rückblick und Ausblick
Dorothee Schaffner, Angela Rein, Annamarie Ryter, FHNW
Die interkantonal, interprofessionell und interdisziplinär angelegt Fachtagung «Von der Schule zum Beruf – Jugendliche im Übergang begleiten» vom 24. Oktober 2015 bot eine erste Plattform, um wichtige Fragen zur Begleitung von Jugendlichen im Übergang in die Erwerbsarbeit gemeinsam zu diskutieren. Die deutlich über 220 Teilnehmenden zeigten, dass dafür ein hoher Bedarf besteht.
Referat 1
Veränderungen im Übergang in den Beruf: Laufbahngestaltung und Unterstützungsbedarf Jugendlicher
Barbara E. Stalder, Pädagogische Hochschule Bern und Institut de psychologie du travail et des organisations, Université de Neuchâtel
Zentrale Erkenntnisse
Es gibt viele Optionen, die eigene Ausbildungs- und Berufslaufbahn zu gestalten. Dies ist eine Chance, die mit Risiken verbunden ist. Um mit den Anforderungen im Übergang Schule-Beruf zurecht zu kommen, brauchen Jugendliche Bezugspersonen, die sie professionell und institutionsübergreifend begleiten und Orientierungshilfe bieten.
Referat 2
Gefährdete Jugendliche in der Schweiz – Risiko- und Schutzfaktoren beim Übergang in die Erwerbsarbeit
Kurt Häfeli, Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich (bis 2014)
Im Referat wurde der Frage nachgegangen, welche Gründe zu einer Gefährdung von Jugendlichen im Übergang von der Schule in die Arbeit führen können und welche Unterstützung sie brauchen.
Referat 3
Professionell handeln: Individuelle Wege in den Beruf begleiten, sich vernetzen und kooperieren
Ursula Bylinski, Fachhochschule Münster
Welche Kompetenzen benötigen pädagogische Fachkräfte, um Jugendliche auf ihren Wegen in den Beruf zu begleiten? Antworten darauf aus einer aktuellen Studie.
Workshop 1
Vom Berufswahlunterricht zum Berufsintegrationscoaching: Paradigmenwechsel oder alter Wein in neuen Schläuchen?
Annamarie Ryter, Pädagogische Hochschule FHNW
Zentrale Erkenntnisse
Berufsintegrationscoaching fokussiert den biographischen Prozess und stärkt die Selbstkompetenz der Jugendlichen. Das ist ein klarer Paradigmenwechsel zum Berufswahlunterricht. Die Kunst im Coaching besteht darin, die Jugendlichen mit gezielten Fragen zu ermächtigen, ihre Ziele selber zu setzen. Ein Coach weiss nicht, was für andere gut ist, gibt daher nicht Rat-„schläge“, sondern hört neugierig zu, hilft klären und unterstützt die Jugendlichen, an sich selbst zu glauben und ihren eigenen Weg zu gehen. Pointiert gesagt: Coaches fragen – Lehrpersonen antworten.
Workshop 2
Berufswahlvorbereitung in professionellem Netzwerk: Heilpädagogische Ansätze
Claudia Schellenberg, Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich
Michaela Studer, Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich
Zentrale Erkenntnisse
- Im Berufswahlprozess der Jugendlichen sind verschiedene Personen involviert: Professionelles Netzwerk, Privates Umfeld, Schule und Betriebe. Heilpädagogische Massnahmen können die Berufswahlvorbereitung anreichern: z.B. Unterstützerkreise, persönliche Zukunftsplanung, Job-Coaching, Lehr- und Arbeitsmittel für die Berufswahlvorbereitung angepasst für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf
- Zusammenarbeit mit den Eltern ist besonders wichtig. Eine Unterstützung im Berufswahlfahrplan für die Eltern ist wertvoll. Dazu braucht es die aktive Koordination und Kooperation des privaten Umfeldes mit der Schule.
- Die EBA ist für eine doch beträchtliche Gruppe von Schulabgängerinnen und –Abgänger zu anspruchsvoll. Dennoch erhalten sie keine IV-Verfügung. Sie sind gewissermassen «zwischen Stühlen und Bänken«. Das beschäftigte sowohl die Workshop-Gruppe am Morgen wie auch am Nachmittag.
Workshop 3
Zuerst die Lehrstelle, dann die Pünktlichkeit! Eine alternative Auseinandersetzung mit den unentschuldigten Absenzen
Corinne Joho, Lehrbeauftragte, Pädagogische Hochschule FHNW und Lehrperson im Berufsbildungsangebot Berufslauf Dietikon
Zentrale Erkenntnisse
- Das Überschreiten von Grenzen (bspw. in der Form des
Zuspätkommens) und das Abweichen von gesellschaftlichen Normen gehören
fundamental zum Jugendalter.
- Schulabsentes Verhalten kann auch verstanden werden als individueller Versuch ein persönliches Problem zu lösen.
- Es lohnt sich die Motivation der Jugendlichen aufzuspüren und dort
anzusetzen: Welche Bereiche/Themen/Tätigkeiten interessieren sie? Wo
beginnen die Augen zu leuchten?
- Das Gefühl wirklich gebraucht zu werden und etwas Nützliches zu tun, ist bedeutsam für Jugendliche.
Workshop 4
Mit Bildern erzählen. Potenziale der Fotografie im Berufswahlprozess
Peter Holzwarth, Pädagogische Hochschule PHZH
Zentrale Erkenntnisse
- Fotografie als Motivation
Mit dem Medium Fotografie kann auf
motivierende und lustvolle Art und Weise ein Thema angegangen werden,
das für viele Jugendliche mit Defizitorientierung und anderen negativen
Aspekten verbunden ist. Sowohl Jugendliche als auch Lehrpersonen äussern
eine hohe Zufriedenheit mit dem Projektkonzept. - Freizeit- und Schulkontext
Freizeitorientierte
Fotopraktiken fliessen in das Fotografieren von Berufen mit ein
(Stichwort Selfie-Kultur) wobei Freizeit- und Schulkontext voneinander
profitieren könnten: Die Motivation aus dem Freizeitkontext kann für das
schulische Lernen genutzt werden, die Reflexivität der schulischen
Praxis wiederum kann sich positiv auf das Freizeithandeln auswirken
(Stichworte: Adäquates Medienverhalten auf Social-media-Plattformen und
Umgang mit Urheberrecht). - Visuelle Kompetenzen ernst nehmen
Schule ist immer noch
sehr stark an Sprachlichkeit und Sprachkompetenz orientiert. Oft werden
visuelle Kompetenzen von Jugendlichen nicht wahrgenommen und nicht
abgerufen. Daher ist die Öffnung der Schule für visuelle Kompetenz
wichtig. Die Orientierung an Visualität kann auch einen wichtigen Zugang
zur Entwicklung von Sprachkompetenz darstellen. - Vielfältige Lernchancen
Es können im Projekt
verschiedene Formen des fotografischen Ausdrucks gewählt werden (z.B.
Sich selbst als Kommissar inszenieren, in einem Betrieb das Bearbeiten
von Metall dokumentieren, ein Berufsbild in Internet googeln, einen
Kindheitshelden im Internet googeln). Jede Form bietet je spezifische
Lernchancen und kann auch mit weiteren Kompetenzen verbunden werden. - Projektvarianten
Das Projekt lässt sich in verschiedenen
Varianten durchführen und es gibt die Möglichkeit weitere Projekte
anzuschliessen (z.B. Dokumentation im Internet / Internetseiten mit der
Klasse produzieren (https://www.educanet2.ch oder http://de.jimdo.com)
(Projektidee:
Die Schülerinnen und Schüler versetzen sich in die Lage eines
Erwachsenen, der sich mitten im Arbeitsleben befindet und erzählen über
ihren Beruf (vgl. http://6klasseseefeld2012.wordpress.com
Workshop 5
Kooperation mit Ausbildungsbetrieben am Beispiel von Supported Education
Christine Hunziker, Co-Geschäftsführerin lehrundmehr Basel
Tanja Rüdisühli Kunzmann, Co-Geschäftsführerin lehrundmehr Basel
Zentrale Erkenntnisse
- Kernaussagen aus den Gruppenarbeiten der Teilnehmenden:
„Die
am Setting Beteiligten bewegen sich oftmals in verschiedenen
Verständniswelten. Der/die Coach ist Übersetzer und strebt eine
gemeinsame Sprache an.“
„Anliegen und Befürchtungen aller Beteiligten einbeziehen.“ - Kernaussage der Workshop-Leiterinnen:
„Der/die Job Coach muss die
Sprache aller am Setting Beteiligten verstehen lernen und das
Fachwissen der Fachpersonen wertschätzen und anerkennen. Alle sind
Experten, auch die Arbeitgeber, bzw. Ausbildungsbetriebe
Workshop 6
Diversity in der Begleitung von Übergängen: Reflexionsansätze für professionelles Handeln
Angela Rein, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
Zentrale Erkenntnisse
Im Workshop ging es um die Frage, welchen Einfluss unterschiedliche Differenzen im Übergang in Beruf und Erwachsenenalter haben und was daraus für die Begleitung folgen kann. Dabei wurde deutlich, dass insbesondere strukturelle Benachteiligungen und Diskriminierungen wahrgenommen und berücksichtigt werden müssen um eine Individualisierung von Problemlagen zu vermeiden.
Workshop 7
Selbstbewusst, umgänglich und zuverlässig – Sozial- und Selbstkompetenzen sind nicht einfach eines Tages da
Ruth Meyer Junker, arbowis gmbh Solothurn
Zentrale Erkenntnisse
- Sozial- und Selbstkompetenzen bei Jugendlichen zu fördern heisst
zuallererst: Vorbild sein, die geforderten Verhaltensweisen als
erwachsene Bezugsperson selbst zu leben. Grundlage für die Förderung von
Soft Skills ist die uneingeschränkte Wertschätzung (zuhören, ernst
nehmen, sorgfältig beobachten, an den Stärken ansetzen) und damit der
Aufbau von Beziehung und Vertrauen.
- Sozial- und Selbstkompetenzen stehen nicht auf dem Stundenplan, sie
werden implizit gelernt. Im konkreten Zusammenarbeiten in der Schule –
sei es bei einer Gruppenarbeit, im Turnen, in einem Projekt, auf dem
Schulhausareal – überall gibt es konkrete Vorfälle, die beste
Gelegenheit bieten, die Schlüsselkompetenzen für die Arbeitswelt
(Teamfähigkeit, Selbstmotivation, Selbstständigkeit, Umgang mit Druck
und Stress, Flexibilität, Problemlösefähigkeit) zu thematisieren und zu
reflektieren.
- Es geht darum, die Jugendlichen für die Anforderungen der
Arbeitswelt fit zu machen. Die Förderung von adäquatem Verhalten heisst:
Spiegeln und konfrontieren, diskutieren, üben und reflektieren. Die
Einhaltung klarer Regeln soll eingefordert werden. Da, wo Regeln und
Entwicklungsziele mehrdeutig sind, werden Ziele individuell ausgehandelt
und angestrebt. Mittels Selbst- und Fremdeinschätzung kann dann das
Erreichte gemeinsam überprüft werden.
Workshop 8
A wie Auftreten
Erich Slamanig, Pädagogische Hochschule FHNW
Zentrale Erkenntnisse
Theaterpädagogik beruht auf
der Überlegung, dass in pädagogischen und soziokulturellen Bereichen
spielerisch-kreative Freiräume wichtiger sind denn je. In einem sozialen
Umfeld, das Spielmöglichkeiten und Spielfreude fördert, steht kreatives
Handeln im Zentrum: das Sehen, das Fühlen, das Denken in
Zusammenhängen, die über die Alltagswelt hinausgehen. Mit
Theaterpädagogik können Jugendlichen in ihrer Auftrittskompetenz
gestärkt werden, sie erkennen den Unterschied zwischen Selbst- und
Fremdwahrnehmung. Sie gehen bewusster mit ihrer Präsenz um und erhalten
Anregungen im Bereich der Körpersprache und Atemtechnik. Im Workshop
fand sowohl ein Austausch zur theaterpädagogischen Praxis als auch ein
praktisches Ausprobieren statt.
Workshop 9
Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft leicht gemacht!
Urs Marti, Verein Jugend und Wirtschaft Bern
Zentrale Erkenntnisse
Das Angebot «Bildung trifft
Wirtschaft» unterstützt Schulen aller Stufen beim Aufbau einer
nachhaltigen Kooperation mit Unternehmen in der Region. Dank der
Zusammenarbeit mit etablierten Bildungsprojekten gelingt der Transfer in
den Schulalltag zu den Kindern und Jugendlichen.